„Hört sich gut an!“

Das war der Literarische Herbst 2023

die ereignisse ĂĽberschlagen sich drauĂźen

Michael Lentz

Ein mit Spannung erwartetes Aufeinandertreffen des Tocotronic-Frontmanns Dirk von Lowtzow mit dem Dramatiker Wolfram Lotz im Ost-Passage Theater und ein Lese-Konzert mit Ole und Hans Könnecke im bis zum letzten Platz besetzten Großen Saal des Theaters der Jungen Welt (TDJW) setzten den gelungenen Schlusspunkt des Literarischen Herbsts 2023.

Im zweiten Herbst ohne Corona-Beschränkungen nahmen die Leipzigerinnen und Leipziger das breit gefächerte Programm so neugierig wie lustvoll an. Viele der nahezu 30 Veranstaltungen mit 50 Autorinnen und Autoren waren komplett ausgebucht, so etwa die Abende mit Daniel Kehlmann im Literaturhaus, der US-Philosophin Susan Neiman in der Bibliotheca Albertina oder ein umstrittener, von Protest begleiteter Auftritt von Alice Schwarzer in der Stadtbibliothek. Auch das Programm des in Kooperation mit dem TDJW aufgelegten „Jungen Herbsts“, dessen Spektrum von der klassischen Lesung über Diskussion und Workshop bis zum Pop-Konzert reichte, wurde ausgezeichnet angenommen.

In einer Zeit, in der gesellschaftliche Bindungskräfte erodieren, schätzt das Publikum die thematische und ästhetische Bandbreite der Angebote ebenso wie die dialogischen Formate unseres Festivals. Das macht Mut, unseren Weg weiterzugehen.

Die Highlights der Oktober-Woche lassen sich mit den „Herbst-Tapes“, dem Podcast des Festivals, nacherleben. Die vierte Staffel wird ab September auf Plattformen wie Spotify und Apple Podcasts angeboten.

Die nächste Ausgabe des Literarischen Herbsts findet vom 21. bis 27. Oktober 2024 statt.

Wir sehen uns!

„Perspektiven jenseits vermeintlicher Gewissheiten“

Der Literarische Herbst 2023 in den Medien

Der Vortragssaal der Bibliotheca Albertina platzt aus allen Nähten. Und nach anderthalb Stunden hat Leipzig gezeigt, warum es Hoffnung gibt. Zur Eröffnung des Festivals Literarischer Herbst hat die US-amerikanische Philosophin Susan Neiman, sie kam direkt von der Frankfurter Buchmesse, am Montag ĂĽber ihr Buch „Links ist nicht woke“ gesprochen, kundig befragt von Ulrich Gutmair […] Auf dem Tisch liegt die Streitschrift. Zweimal zitiert Gutmair wörtlich daraus, ansonsten wird gesprochen, widersprochen, gemeinsam ĂĽberlegt und um Antworten gerungen – auch mit dem Publikum. So, und eventuell nur so, können interessierte Menschen derzeit den Verwerfungen begegnen, die weltpolitisch verunsichern, auch innerhalb Deutschlands Debatten verschärfen und vergiften.

Janina Fleischer, LVZ


Es ist Herbst. Zeit für gute Bücher, für kuschelige Lesungen. Für junge Lesungen, Erinnerung an berühmte Autoren, ein bisschen Streit … Ja, gibt’s auch. Obwohl es eigentlich um Literatur gehen sollte. Geht es auch. Denn die schönen Formate, die in den vergangenen Jahren entwickelt wurden, sind alle wieder dabei. Und zum ersten Mal kann der Literarische Herbst auch seinen Traum verwirklichen, ein echtes Angebot für Kinder und Jugendliche dabei zu haben: „Junger Herbst!“.

Ralf Julke, Leipziger Zeitung


Auf Literaturfestivals schlagen lebende Autoren ihre meist neuen Bücher auf. Um „die jungen Leute“ nicht an „das Internet“ zu verlieren, gibt es für sie was Multimediales, für „die Alten“ was „von früher“ und zur Sicherheit ein paar prominente Namen. Die Organisatoren des Leipziger Festivals „Literarischer Herbst“ kuratieren interessanter. Sie haben für die sieben Tage über 50 Mitwirkende in rund 25 Veranstaltungen zu einem Programm gefügt, das Lesung und Gespräch bietet, Debütantinnen und Prominente, Romane, Lyrik und Sachbücher und unter dem Label „Junger Herbst!“ einen ganzen Tag im Theater der Jungen Welt. Doch nichts wirkt bemüht, alles passt – bis zur Wahl der idealen Orte: die Bibliotheca Albertina zur Eröffnung mit Susan Neiman, die Alte Post Lindenau fürs „Lyrikhotel“ oder das Reclam-Museum für einen Wolfgang-Hilbig-Abend. In der naTo füllte am Donnerstag das Erinnern an Wolfgang Herrndorf den Raum.

Janina Fleischer, LVZ


Das Festival ist am schönsten, wenn alles ineinanderfließt. Wenn zwei Krimiautoren sich über die Qualität von Hotelketten und Pensionen austauschen und Friedrich Ani dabei das Verschwinden der „kleinen verstaubten Pensionen“ bedauert, „obwohl es immer mehr Staub gibt“. Wenn sich zwischen Autoren und Publikum, Bühne und Saal lange Gespräche entwickeln, wenn Moderatoren Verbindungen offenlegen zu gesellschaftspolitischen Entwicklungen, die von Literatur begleitet werden. So erreicht dieses Festival in sieben Tagen eine Relevanz, wie sie in der DDR sozialisierten und politisierten Menschen einst vertraut und ein Bedürfnis war.

Janina Fleischer, LVZ


Die Heldinnensaga der Alice Schwarzer ist in Leipzig weiter ausgebreitet, aber nicht fortgesetzt worden, weil auch der Protest gegen sie sich eher blamiert hat mit seinem lautstarken Verlangen nach Redeverbot. Und dass die Polizei von dem ohnmächtigen Häuflein die Personalien aufnahm und Einzelne daraus gar herumschubste, wie an diesem Abend noch geschehen, darf man beklagen. Die Meinungsfreiheit ist durchgesetzt worden in Leipzig. Besser wäre es gewesen, sie hätte sich selbst durchgesetzt.

Andreas Platthaus, F.A.Z.


Die Debatten zu Transsexualität werden oft mit jakobinischer Schärfe geführt. Doch wer entscheiden will, wer auf einem Festival auftreten darf und wer nicht, sollte vielleicht sein eigenes gründen und nicht eine ganze Stadt in Geiselhaft nehmen. Das finden zum Glück die Veranstalter auch.

Rayk Wieland, MDR Fernsehen, artour


Die Lust an der Diskussion, die Bereitschaft, alternative literarische Perspektiven einzunehmen, ohne zu polarisieren, war beim Leipziger Festival allenthalben zu spüren… Die Literatur versteht man hier zumeist als Reflexionsmedium, das im politisch hoch aufgeladenen Tagesgeschehen Perspektiven jenseits vermeintlicher Gewissheiten und absoluter Wahrheiten entdecken lässt.

Cornelius WĂĽllenkemper, Deutschlandfunk, Kultur heute

Zum Nachhören

  • MDR Kultur: Nils Kahlefendt ĂĽber den Literarischen Herbst 2023
  • MDR Kultur: Susan Neiman im Gespräch
  • Deutschlandradio Kultur: Alexander Moritz ĂĽber die umstrittene Lesung mit Alice Schwarzer
  • Deutschlandfunk: Cornelius WĂĽllenkemper mit der Herbst-Bilanz 2023

Galerie

© Gert Mothes